Kalender für das Klever Land 2003 S. 46 ff; Autor: Hans Rühl

Die Missionsmärtyrer Joseph Lörks  und Ernst Franken

Zu ihrem 60. Todestag am 17. März 2003

     Am 17. März 2003 jährt sich zum 60. Mal der Todestag der auf dem Heck des japanischen Zerstörers Akikaze im Drei-Minuten-Takt erschossenen und in die Bismarcksee geworfenen internierten katholischen und evangelischen Missionare, Missionsfrauen und Mitarbeiter. Es handelt sich um 52-Erwachsene und  drei Kinder. Erstes Opfer wurde eine Woche vor seinem 67. Geburtstag Bischof Joseph Lörks aus Hanselaer. Noch in der gleichen Stunde folgte dem Vorsteher des katholischen Missionsgebietes Mittelneuguinea auch der damals 41-jährige Steyler Ordensbruder Benignus (Ernst) Fran aus Goch in den Tod. Sein Name ist heute in Goch sozusagen unbekannt, während am Josefstag 1960 die damalige katholische Volksschule Kalkar (seit 1968 Grundschule) den Namen des Märtyrer-Bischofs erhielt. An ihn erinnert auch seit 1983 eine Gedenktafel im Portal seiner kleinen Heimatkirche.

Joseph Lörks wurde am 24. März 1876 auf dem Wayschen Hof in Hanselaer geboren der heute von

seinen Großneffen und dessen Familie  weitergeführt wird. Nach dem Besuch der Rektoratsschule KaIkar ging er ins Missionsgymnasium Steyl. Er wurde noch von dem aus Goch stammenden Arnold Janssen (1837-1909), den Papst Paul VI. 1975 zum hundertjährigen Bestehen dei von ihm gegründeten Missionsgesellschaft »Societas Verbi Divini« (Gesellschaft vom Göttlichen Wort) selig sprach, und über

dessen laufendes Heiligsprechungsverfahren im Frühjahr 2003 aus dem Vatikan eine (Vor) -Entscheidung kommen dürfte, als Novize aufgenommen und zum Studium nach St. Gabriel in Mödling bei Wien geschickt. Dort empfing er am 28. Januar 1900 die Priesterweihe. Noch im gleichen Jahr, am 14. September, trat er seine Reise in die Mission Neuguinea an.

Die Westhälfte dieser Insel gehörte damals zu Niederländisch-Indien, das nach dem Zweiten Weltkrieg zum unabhängigen Indonesien wurde. Der Nordostteil dieser Insel war von 1884 bis

1919 deutsches Schutzgebiet, wurde dann wie die Südostregion von Australien verwaltet und ist seit 1949 als Papua-Neuguinea selbstständig. Dieses Land umfasst auch den Bismarckarchipel mit seinen 2000 Inseln, den die Niederländer 1616 entdeckten und der später unter britische Verwaltung kam.

Als 24-Jähriger stand Joseph Lörks dem Begründer der Mission P. Limbrock SVD als Prokurator (Verwalter) zur Seite. Zeitweise leitete der Bauernsohn vom Niederrhein auch die Kokosplantage der Missionshauptstadt Wewak.

Rasch erkannte er die Notwendigkeit der Schifffahrt. Sein erster Heimatbesuch führte ihn nach Harnburg, wo er sein Kapitänspatent erwarb, um damit auf dem Missionsschiff »St. Gabriel« Meeresküsten und Flüsse befahren zu dürfen. Alte Kalkarer haben erzählt, dass sie ihm damals bei der Messe dienen durften, gemeinsam mit einem kleinen Eingeborenen aus Neuguinea, der ihn auf dieser Europa-Reise begleitete. Auch überwachte der Pater persönlich den Bau des von ihm selbst entworfenen Missionsschiffes »Stella Maris«, das er dann selbst von der Nordsee nach Indonesien überführte.

Als 1928 das Missionsgebiet geteilt wurde, erhielt der westliche Teil (Zentral- Neuguinea) in Pater Lörks einen Präfekten, der wie kaum ein zweiter geeignet schien, eine selbstständige und lebensfähige Mission zu schaffen. Er setzte sich bald für eine notwendige Erweiterung seines Gebietes ein und ließ die vorhandenen Stationen überholen.

Als Apostolische Präfektur bezeichnet die katholische Kirche einen noch nicht zur Diözese erhobenen Missionsbezirk, der nach der Schaffung bistumsähnlicher Strukturen zum Apostolischen Vikariat erhoben und dann von einem Titularbischof - er trägt wie Weihbischöfe den Namen eines untergegangenen Bistums -geleitet wird. Seine Ernennung zum Apostolischen Vikar und Titularbischof von Medelitanum (bei Karthago) erhielt Pater Lörks 1933. Die Konsekration erfolgte am 3. Adventssonntag, dem 17. Dezember, in der Kirche des Missionspriesterseminars St. Augustin bei Bonn durch den damaligen .Kölner Erzbischof Karl-Joseph Kardinal Schulte. Weihnachten 1933 feierte der neugeweihte  Missionsbischof in St. Nicolai Kalkar sein erstes Pontifikalamt in der Heimat..........

S.51: Nachdem japanisches Militär am 18. Dezember 1942 in Wewak gelandet war, kam es um intensiven Verhör der katholischen Missionare, wobei Bischof Lörks durch einen Bajonettstich verletzt wurde. Das Haus der Ordensmänner stand auf einem Hügel und wurde von den Japanern für ihre Offiziere beschlagnahmt. Die Missionare wurden immer mehr der Kontrolle der

Besatzungsmacht unterworfen, und das Misstrauen ihnen gegenüber nahm zu. Als ein Besatzungsleutnant am Weihnachtstag im Schwesternhaus einen Plattenspieler sah, schöpfte er Verdacht und drohte jeden zu erschießen, wenn im Hause eine Sendestation entdeckt würde. Die Japaner vermuteten, dass die Missionare Spionage für die Amerikaner und Australier betreiben würden. Auch die Tatsache, dass die meisten Steyler Missionare deutscher Herkunft waren, konnte die Japaner nicht beruhigen.

Ein wichtiger Grund für die Nervosität der Japaner lag auch in der Tatsache, dass sie schon auf dem Rückzug waren und ihr Feldzug in die Südsee auf Guadalcanal (Salomon-Inseln) von den Alliierten nicht nur gestoppt, sondern in eine verheerende Niederlage verkehrt wurde. Durch amerikanische Bomber stiegen die Verluste der Japaner.

Den Missionaren war auch nicht bekannt, dass die Australier das Land nicht ohne Vorsorge verlassen hatten, sondern vielmehr ein ausgeklügeltes Netz von Küstenbeobachtern im Hinterland stationiert ließen, die alle Bewegungen der Japaner weiterfunkten. Da den Japanern bewusst war, dass ihre militärischen Operationen beobachtet wurden, ihnen die Träger des Überwachungssystem aber nicht bekannt waren, verdächtigten sie zunächst die europäischen Missionare, zu denen außer den Deutschen und Österreichern auch Niederländer, Polen und US-Amerikaner gehörten.
Das Klappern der Schreibmaschine eines Paters wurde von einen Horchposten für die Übermittlung von Morsezeichen gehalten. Es war unmöglich die Missionsarbeit wie bisher weiterzuführen.

Nach der Flucht der australischer Behörden neigten sich die Inselbewohner den neuen Herren zu. Bischof Lörks war zehn Jahre hindurch Kapitän auf einem 70 Tonnen großen Missionsschoner gewesen. Da war es nur zu natürlich, dass er sich auch für die japanischen Schiff interessierte. Als er zufällig Zeuge der Torpedierung eines großen Militärschiffe~ wurde, argwöhnten die Japaner, dass er den Amerikanern Informationen gegeben hätte. Die Angst vor Spionage saß den Japanern tief im Nacken, denn die Funksignale, die sie an verschiedenen Orten hörten, stammten aus einem Spionagenetz, das sich über die ganze Inselwelt im Südwestpazifik erstreckte.
Die Australier hatten bei Kriegsbeginn 64 Tele-Radiostationen installiert, die nun heimlich von verbliebenen eigenen Leuten und Einheimischen bedient wurden. Ihre verschlüsselten Mitteilungen wurden von den Hawaii-InseIn über einen starken amerikanischen Sender in den ganzen Pazifikraum ausgestrahlt. Kaum eine militärische Maßnahme der Japaner entging ihnen, Als im Gebiet von Wewak immer mehr japanische Schiffe bombardiert und torpediert wurden, wuchs der Verdacht gegen die auf Kairiru versammelten Missionare.

 Vom 3. bis zum 14. März entwickelte sich im Bismarck-Archipel eine für die Japaner verheerende Luft- und Seeschlacht. Zudem hatte Pater Manion, der amerikanische Sekretär und Prokurator von Bischof Lörks, Anfang März die in einem Bambusstäbchen versteckte Nachricht erhalten, dass acht abgeschossene Landsleute eines Bombers gestrandet seien, denen er Verbandszeug und andere Sachen besorgte. Eingeborene verrieten den Vorfall an die Japaner. Diese exekutierten am 15. März 1943 zwei deutsche Patres und forderten die auf Kairiru internierten Missionare auf, an Bord des japanischen Zerstörers Akikaze zu gehen.

Es handelte sich um 20 Steyler Missionare -Brüder und Patres -und 18 Steyler Missionsschwestern. Eine einheimische Postulantin, Magdalena Aiwaul, wollte sich nicht von den Schwestern trennen und ging mit auf diese Reise ins Ungewisse. Zwei chinesische Kinder, die in der Obhut von Sr. Arildis waren, wurden ebenfalls an Bord genommen. Die Insel Kairuru liegt zwei Bootsstunden vom Festland entfernt gegenüber Wewak. Den an Bord gebrachten Missionaren wurde von einem Leutnant mitgeteilt: »Da alle Passagiere in ihre Heimatländer zurück- gebracht werden, fahren wir zurück zum Hauptquartier nach Rabaul«. Eine Gruppe von Schuljungen war zum Strand gekommen, um sich von den Missionaren zu verabschieden. Bischof Lörks sprach ihnen Mut zu und gab ihnen noch seinen Segen. Die Akikaze fuhr am Nachmittag von Kairiru zur Insel Manus, wo sie am anderen Tag in Lorengau anlegte, um katholische und evangelische Missionare der Insel an Bord zu nehmen. Es handelte sich um sechs Personen der protestantischen Liebenzeller Mission, fünf Erwachsene und ein Kind, drei Herz-Jesu-Missionare und drei Missionsschwestern von Isodun. Zudem wurden noch acht weitere Ausländer an Bord genommen.
Die Fahrt ging weiter nach Kavieng, dem Hauptort der Insel Neuirland im Bismarck-Archipel, ohne dass dort angelegt wurde. Ein Boot brachte dem Kapitän eine höhere Order aus dem 8. Flottenhauptquartier: Die an Bord befindlichen Internierten seien alle zu erschießen. Obwohl auch der Kapitän gegen diesen Plan war, glaubte er, sich dem Befehl nicht entziehen zu können. Gegen Mittag waren alle Vorbereitungen zur Exekution abgeschlossen.

Das Heck des Schiffes war mit Decken bespannt, um die Sicht dorthin zu ver- sperren. Am Ende des schmalen Ganges wurden dem ersten Missionar alle religiösen Gewänder abgenommen und ins Meer geworfen, nur die Unterkleidung wurde ihm gelassen. Mit gefesselten Händen und verbundenen Augen wurde jeder einzelne zur aufgebauten Hinrichtungsplattform auf dem Achterbord des Schiffes geführt. Darauf wurden die Internierten mittels eines Hakens, der am Ende eines Flaschenzugseils befestigt war, an ihren Händen hoch gezogen und auf den Befehl des Kommandierenden durch Maschinengewehr und Gewehrfeuer erschossen. Nach vollzogener Hinrichtung wurde das Seil heruntergelassen. Der Strick an den Händen wurde durchgeschnitten, so dass bei der erhöhten Geschwindigkeit des Schiffes die Körper der Erschossenen direkt ins Meer geschleudert wurden-

Bischof Lörks war als erster gerufen worden. Alle anderen Missionare und Internierten, zuerst die Männer, dann die Frauen, folgten ihm. Den drei Kindern drückte man noch eine Banane in die Hand, bevor man sie lebend in die Fluten stieß. Bei der erhöhten Geschwindigkeit von 28 Knoten (gut 52 km/h) waren die Schüsse in der Mitte und auf dem Bug des Schiffes wohl kaum zu hören.

Am Abend beteten und opferten die Japaner in Rabaul für die Ermordeten. Drei buddhistische Priester sangen Schrifttexte »für die Seelenruhe der Geister der Dahingeschiedenen«. Ein japanischer Unteroffizier bemerkte, »die Tatsache, dass den Toten würdige Zeremonien zugebilligt wurden, zeigt den wahren japanischen Charakter«.

Für den Erschießungsbefehl wollte später keiner so recht zuständig sein. Er überraschte in Rabaul, wo ein japanischer Offizier die Ausländer auf der Akikaze zur Unterbringung in einem Internierungslager erwartete, nichts von dem Erschießungsbefehl wusste und erstaunt war, dass die Gefangenen nicht an Bord waren.

Die Sache sollte verschleiert werden. So gab es auf seine Frage nach dem Verbleib der Internierten auch zunächst die Antwort, »dass die fremden Staatsangehörigen infolge eines Sturms über Bord gefallen seien«. Höherenorts zeigte man sich erschüttert und schmerzlich berührt von der Hinrichtung der Bürger aus neutralen Staaten. Zwei Wochen später hörte Pater Jakob Bläs auf der katholischen Missionsstation Ali ein seltsames Gerücht. Ali ist eine der vier kleinen Inseln vor der Küste von Aitape. Der Geistliche beobachtete, wie japanfreundliche Eingeborene vom nahe gelegenen Yakamul herüberkamen. Sie waren mit Orden geschmückt, die sie von den Japanern erhalten hatten. Ein Unterhäuptling kam im Schutz der Dunkelheit zu P. Bläs und sagte weinend: »Sie werden euch alle töten. Die Yakamuls haben uns erzählt, dass die Japaner schon alle Missionare von Wewak und Kairiru getötet und ins Meer geworfen haben«. Übrigens kamen der Kapitän wie der mit der Erschießung beauftragte Leutnant bei einem Fliegerangriff auf ihrer Akikaze am 2. August 1943 ums Leben.

Die Wahrheit kam erst in den Kriegsverbrecher-Prozessen ans Tageslicht und wurde im Buch von P. Wiltgen erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So erklären sich auch die leicht abweichenden Daten auf der Gedenktafel.

Am 19. März 1960, genau an dem Tag, als die katholische Volksschule KaIkar den Namen des Märtyrerbischofs erhielt -ein von Alfred Sabisch geschaffenes Relief vom guten Hirten erinnert daran -, wurde der Nachfolger von Joseph Lörks zum Bischof geweiht.